Fischerappelt Kommunikation, Firmensitz Medienagentur
Von Cornelia Krause
„Pinkfarbig verspiegeltes Glas und in Rottönen changierendes Edeistahlblech benutzt der Hamburger Architekt Carsten Roth
für einem schlichten, gelb verklinkerten Gewerbebau aus den späten fünfziger Jahren, um auf der einen Seite seine Eigenständigkeit zu bewahren, ihm auf der anderen Seite aber mit befremdlichen Materialien und einer ungewöhnlichen Architektursprache Signifikanz zu verleihen. Für die Bauherren Fischer-Appelt genau das richtige Aushängeschild für ihre Agentur.
Eine fast schon zur Brache heruntergekommene städtische Gewerbefläche im Nordwesten Hamburgs erwacht wieder zu neuem Leben – dank einer privaten Initiative. Und nicht nur das. Die Revitalisierung durch das neue Medienzentrum wirkt sich zugleich positiv auf die unmittelbare Nachbarschaft aus, die nicht gerade mit den günstigsten Rahmenbedingungen gesegnet ist: Wohnhochhäuser mit den üblichen sozialen Problemen, eine stark befahrene Ringstraße mit platzgreifender Tankstelle und auf dem Grundstück ein Baubestand aus den sechziger Jahren. Gerade vom scheinbar Aussichtslosen lässt sich der Architekt Carsten Roth am liebsten herausfordern. Das wusste auch sein Bauherr, fischerAppelt Kommunikation, die zur Zeit größte PR-Agentur Hamburgs. Eines wollten die beiden Inhaber, die Brüder Andreas und Bernhard Fischer-Appelt, auf keinen Fall: mit ihren neuen Räumlichkeiten auch nur in die Nähe aalglatten Agentur-Designs gerückt werden. Anfangs war es nur ein Gebäude, das der Auftraggeber für seine Zwecke nutzen wollte. Carsten Roth sah in dem Konglomerat aus nicht einmal besonders wertvoller Bausubstanz dennoch die große Chance, hier Medienaktivitäten zu konzentrieren. Den Bauherren gefiel dieser Gedanke und sie ließen sich prompt zu einem weiteren Umbau überreden. Ein einprägsamer Name war auch schnell gefunden:
Medienpool Waterloohain.
Überraschend ist, dass die Architektur von Carsten Roth zwar unkonventionell, aber keineswegs spektakulär ist. Viele Elemente nimmt man erst auf den zweiten Blick wahr – von dem aber kann sich der Betrachter so schnell nicht lösen. Moment mal, stimmt das? Wer täuscht hier wen? Roth versteht das Spiel großartig, durch Irritation der Sehgewohnheiten Signifikanz zu erreichen. Im Fall Waterloohain 5, dem zuerst fertig gestellten Haus, gelang ihm dies mit einer ungewöhnlichen Aufstockung. Dem dreigeschossigen Gewerbebau aus den späten fünfziger Jahren setzte er einen autonomen Neubau auf, der durch einen hohen Grad an Abstraktion seine Körperlichkeit fast schon wieder verliert. Das Ganze spielt sich zwischen einer Boden- und Deckenplatte ab, deren Maße (60 x 25 m) sich an der behäbig breiten, ehemaligen Produktionsstätte orientieren, allerdings an der Nordseite über den Giebel hinausragen. Die weitestgehend verglaste Fassade tut dies genau nicht. Ihre Richtungen leiten sich jeweils aus der unmittelbaren Umgebung ab: Straßen- und Gebäudefluchten und Blickbeziehungen bestimmen den Verlauf. Das allein aber führt noch nicht zum gewünschten Erfolg. Erst in Verbindung mit der Oberflächenbehandlung weniger Materialien entstehen unter Licht- und Schattenwirkung die Brüche und Verzerrungen, die optischen Täuschungen gleichkommen. Transparentes Glas stößt auf pinkfarbig verspiegeltes Glas, ebenso wie mattes und poliertes Edelstahlblech auf gelochtes und polyspektral beschichtetes in schillernden Rottönen trifft. Darüber hinaus tut das Wetter ein Übriges. Regen erzeugt zusätzliche Effekte, während Sonne die Farben regelrecht zum Glühen bringt. Der verklinkerte Unterbau trägt seinen „neuen Hut“ mit großer Würde. Obwohl die hellgelben Riemchen als das wohl scheußlichste Fassadenmaterial aus dieser Zeit gelten, hat Carsten Roth daran nichts geändert. Ihm gefallen die denkbar klaren Formen der scheinbar einfachen und rein funktionalen Gewerbebauten der sechziger Jahre – außerdem waren keinerlei Baumängel festzustellen. Ein Problem stellte allerdings die produktions-technisch bedingte, ungewöhnliche Tiefe des Gebäudes dar. So wenig sich der „Bauch“ auch für Büronutzung eignete, für Besprechungsräume, Denkzellen, geheimnisumwitterte „Black Boxes“ bot er sich geradezu an. Selbst ein kleines Atrium zum frische Luft schnappen hat hier noch Platz gefunden. Dank der rigorosen Anwendung der „Betonsäge“ ist es dem Architekten nicht nur gelungen, die beiden oberen Geschosse miteinander zu verzahnen, sondern auch viel Tageslicht von oben hereinzuholen. Die transluzenten Trennwände der Arbeitsbereiche sorgen zusätzlich für Helligkeit von der Seite. Diese subtil mattierten Profilglasscheiben führen in ihrer Schichtung und Überlagerung zu diffusen Raumeindrücken, die das Spiel mit der Verunklarung weiter fortschreiben. Auch im Inneren gibt die unmittelbare Umgebung die Richtungen für den Deckenausschnitt, Treppenläufe und die Wände vor. Selbst die Anstriche folgen diesem Prinzip. So kommt es schon vor, dass mitten in der Deckenuntersicht zwei Farben unvermittelt aufeinander stoßen. Folgt man ihrer Linienführung, wird der Bezug schnell ersichtlich.
Des Architekten Verwirrspiel ließ sich in dieser Konsequenz nur mit der Agentur Fischer-Appelt realisieren, die das dritte Bestandsgeschoss zusammen mit der Aufstockung bezog. Die übrigen Etagen sind fremd vermietet. Um den ganzheitlichen Entwurf von innen und außen nicht zu schmälern, wurde ein externes Treppenhaus angefügt, das durch seine farbige Lochblechverkleidung dem Kunden bereits die Besonderheit ankündigt, die ihn oben erwartet. In dem schräg gegenüberliegenden Gebäude Waterloohain 9 arbeiten ebenfalls etagenweise Agenturen, für deren Innenleben aber die jeweiligen Mieter verantwortlich zeichnen. Das Ergebnis: jede Etage eine überraschend neue Welt. Das macht Carsten Roth keineswegs traurig. Immerhin verbindet alle ein besonders schönes, einläufiges Treppenhaus in auffallenden Grüntönen, das wiederum der entschlossenen Anwendung der „Betonsäge“ zu verdanken ist. Die ehemalige Kegelbahn versah er mit einfachen Bauglaspaneelen, die den wahren Umfang des Hauses wieder mal verschleiern. Darf man bei Carsten Roth von etwas anderem ausgehen? Jetzt warten die übrigen Gebäude noch auf ein unkonventionelles Fassadenkleid, das der Architekt den beiden ersten bereits verpasst hat.“
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von
Cornelia Krause und “db deutsche bauzeitung“, erschienen in Ausgabe 03/2003, Seiten 46-56